- Historische Einordnung
Liebe Rosenheimerinnen und Rosenheimer,
„Aus Stadt und Bezirk Rosenheim wurden im April 1933 28 kommunistische Funktionäre und Schutzhäftlinge in das KZ Dachau überstellt.“
Als ich diesen Satz vor zwei Jahren in einem Buch über den Nationalsozialismus in Bayern las, war ich wie elektrisiert, denn ich ahnte, dass sich dahinter eine größere Geschichte verbarg. Aber was war damals in Rosenheim geschehen?
Die „Kommunistische Partei“ Deutschlands war am Ende der Weimarer Republik eine Massenpartei mit 320.000 Mitgliedern, und diese gehörten zu den entschiedensten Gegnern des aufkommenden Nationalsozialismus. Und als am 27. Februar 1933 der Reichstag brannte, wurde behauptet, das könnten nur die Kommunisten gewesen sein, um damit einen Anlass zu haben, flächendeckend die ortsbekannten Kommunisten zu verhaften und in die jeweiligen Gefängnisse einzuliefern. Seit dem 9. März, als die Nationalsozialisten in Bayern an die Macht kamen, fanden auch in Rosenheim entsprechende Hausdurchsuchungen und statt und füllte sich das hiesige Gefängnis. Fieberhaft wurden überall im Reich für die riesige Masse an zu verhaftenden Häftlingen Konzentrationslager gebaut. Noch war das KZ Dachau nicht fertig. Erst am 22. März konnte es von Polizeipräsident Heinrich Himmler eröffnet werden. Bereits drei Tage später wurde mit Ewald Thunig, der erste Rosenheimer Kommunist eingeliefert.
Hier, wo wir heute stehen, befand sich von 1858 bis 1968, also 110 Jahre lang, das Rosenheimer Amtsgerichtsgefängnis, das in den 70er Jahren abgebrochen wurde und in dem die 28 Kommunisten, von denen zu sprechen ist, vor ihrer Verlegung in das KZ Dachau inhaftiert waren. Dass Ziel der „Initiative Gedenkkultur – Stolpersteine für Rosenheim“ ist es, vor diesem Geschäft eine sogenannte „Stolperschwelle“ zu verlegen, um damit öffentlich an das schreckliche Unrecht zu erinnern, das heute vor genau 90 Jahren diesen Menschen angetan wurde.
Die Stadt Rosenheim hat leider, wie allgemein bekannt ist, mit einer sehr knappen Abstimmung im Stadtrat die Verlegung von Stolpersteinen auf öffentlichem Grund untersagt, sodass wir die „Stolperschwelle“ nur auf privatem Grund verlegen können, was uns hoffentlich noch gestattet wird.
Wir wollen jetzt die Namen der 28 Kommunisten aus dem Bezirk und der Stadt Rosenheim zum ersten Mal in der Öffentlichkeit nennen, um diese Menschen und ihr Schicksal damit der Vergessenheit zu entreißen. Außerdem nennen wir ihr Alter bei der Einlieferung in das Konzentrationslager sowie ihren Heimatort mit Straßenbenennung (soweit bekannt) sowie ihren erlernten Beruf.
- Namen, Alter, Wohnort, Straße, Beruf der 28 Kommunisten
- Otto Althammer (35), Rosenheim, Sanierung 2b, Korbmacher
- Johann Dunker (31), Rosenheim, Kolbermoorerstraße 2b, Schweizer
- Xaver Feilnreiter (26), Raubling, Bäcker
- Johann Flunk (28), Rosenheim, Sternstraße 9, Hilfsarbeiter
- Jakob Grandl (25), Rosenheim, Aisingerwies, Pflasterer
- Max Gipp (38), Rosenheim, Kolbermoorerstraße 4, Schlosser
- Max Grosse (22), Rosenheim, Korbmacher
- Otto Grötzinger (31), Rosenheim, Aventinstraße 30, Schuhmacher
- Georg Gsinn (32), Kuglmoos, Gemeinde Stephanskirchen, Spängler
- Johann Haimerl (34), Hochrunstfilze, Gemeinde Pang, Torfarbeiter
- Josef Hefter (21), Schloßberg, Hilfsarbeiter
- Christian Kalkschmid (34), Nußdorf a. Inn, Säger
- Xaver Klein (28), Rosenheim, Schuhmacher
die drei Brüder Friedrich Kopp, Ludwig Kopp und Peter Kopp
- Friedrich Kopp (26), Rosenheim, Kolbermoorerstraße 2b, Hilfsarbeiter
- Ludwig Kopp (27), Rosenheim, Obergries 25, Hilfsarbeiter
- Peter Kopp (32), Rosenheim, Kolbermoorerstraße 2, Sägearbeiter und Stadtrat
- Hermann Liebig (24), Rosenheim, Elektrotechniker
- Karl Obpacher (32), Raubling, Maschinist
- Andreas Pletschacher (31), Rosenheim, Buchhalter und Bauführer
- Otto Reiter (43), Rosenheim, Heiliggeiststr., später Kaiserstraße 42., Hilfsarbeiter
- Johann Rosenquist (19), Rosenheim, Kolbermoorerstr.4, Hilfsarbeiter
- Josef Schiffl (28), Hochrunstfilze, Gemeinde Pang, Torfarbeiter
- Wendelin Schmerbeck (33), Nicklheim, Torfarbeiter
- Josef Schober (30), Westerndorf St.Peter, Hausierer
- Johann Steinberger (30), Rosenheim, Aisingerwies, Fuhrunternehmer
- Johann Venus (24), Rosenheim, Kunstmühlstraße 22, Bäcker
und die beiden Brüder Hans Zeitlhofer und Josef Zeitlhofer
- Hans Zeitlhofer (28), Rosenheim, Samerstraße 4, Hammerschmied
- Josef Zeitlhofer (19), Rosenheim, Samerstraße 4, Hilfsarbeiter
- Leben im Mörderlager Dachau
Wir wollen jetzt gemeinsam versuchen, uns den hier im Rosenheimer Gefängnis einsitzenden 28 Kommunisten zu nähern. Natürlich kannten sie sich alle gut, und sie werden auch gewusst haben, dass die Nazis den Bau von Konzentrationslagern vorantrieben. Aber sie konnten nicht wissen, was da wirklich auf sie zukam und werden sich darüber die Köpfe heiß geredet haben. Zudem dürften sie auch noch andere Sorgen geplagt haben. Denn manche waren jetzt schon wochenlang im Gefängnis und damit von ihren Familien getrennt. Den Angehörigen fehlte ein so wichtiger Ernährer und dies in einer Zeit, in der Arbeiter sich sowieso kaum über Wasser halten konnten. Und natürlich bedrückte sie auch die Frage, wie lange sie jetzt eingesperrt bleiben würden? Es hatte ja keine Prozesse und keine Urteile gegeben. Hatten sie Angst vor ihrer nächsten Zukunft, ich denke schon. Und zogen sie ins Kalkül, dass sogar ihr Leben jetzt in absolute Gefahr geriet? All dies wissen wir nicht, es liegt aber sehr nahe.
Dann kam der 26. April 1933 und es hieß „Fertig machen zum Abtransport!“ Große Aufregung wird entstanden sein. Was passierte jetzt mit ihnen? Lastwägen fuhren vor. „Einsteigen, einsteigen!“ Sagte man ihnen, wo es hinging? Vermutlich nicht. Die Autobahn Salzburg-München war noch nicht gebaut und so wird es wohl bald zwei Stunden gedauert haben, bis man beim KZ Dachau ankam.
Sie, die zu den entschiedensten Kämpfern gegen den Nationalsozialismus gehörten, die gegen Terror und Gewalt und für eine menschliche, arbeiterfreundliche Gesellschaft gekämpft hatten, mussten jetzt im KZ Dachau die brutalste Form des Faschismus erleben.
Von den Nazis war in Dachau ein Konzentrationslager errichtet worden, das als Modell für alle späteren KZs dienen sollte und das eine „Schule der Gewalt“ für die Männer der SS war, unter deren Herrschaft es stand. In den zwölf Jahren seines Bestehens wurden hier und in zahlreichen Außenlagern über 200.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert, von denen 41.500 ermordet wurden, bevor die amerikanischen Truppen am 29. April 1945 die Überlebenden befreite. Wer heute dies Lager besucht, läuft über die Asche der Ermordeten, wie bei Führungen Björn Mensing, der Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände des KZ, mitteilt.
Seit dem 11. April war im KZ Dachau bereits der bayerische KPD-Vorsitzende und Reichstagsabgeordnete Hans Beimler inhaftiert. Nach vier Wochen, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1933, gelang ihm die Flucht. Er tauchte unter und floh in die Sowjetunion. Dort schrieb er seine fürchterlichen Erlebnisse im Konzentrationslager Dachau auf, die unter dem Titel „Im Mörderlager Dachau“ erschienen. Er berichtete von grausamen Prügeln, die immer wieder ihm und anderen verabreicht worden waren und kein Ende nahmen. Besonders gerne quälten die SS-Wachmänner ihre Opfer aus den Reihen der Arbeiterbewegung. Absoluter Terror und tägliche Morde waren an der Tagesordnung. Fritz Dressel, ein guter Freund von ihm, wurde zu Tode geprügelt. Hans Beimler schreibt in seinem Buch, der Anblick des Ermordeten sei „der erschütterndste Augenblick seines Lebens“ gewesen, und er beschloss daraufhin, die lebensgefährliche Flucht zu wagen.
Als die 28 Rosenheimer Kommunisten im KZ Dachau ankamen, fiel ihr erster Blick sicherlich auf die Überschrift über dem Lagertor: „Arbeit macht frei“ – welch eine Verhöhnung! Kaum waren sie abgestiegen, mussten sie durch ein Spalier aus SS-Leuten Spießruten laufen, wobei sie bespuckt, geschlagen und getreten wurden. In einem sogenannten Schubraum mussten sie anschließend alles abgeben, was sie noch an Persönlichem bei sich hatten: also Eheringe, Fotos usw. Dann mussten sie sich nackt ausziehen. Man wollte sie erniedrigen und Stück für Stück ihrer Menschenwürde berauben. Nackt wurden sie in einen Raum getrieben, wo man ihnen sämtliche Körperhaare abrasierte, um sie weiter zu demütigen und sie ihrer Individualität zu berauben. Dann nahm man ihnen ihre Namen und tauschte sie gegen Nummern. So wurde beispielsweise aus dem 30-jährigen Rosenheimer Josef Schober: Nr. 2990.
In Häftlingskleidung gesteckt, unterschieden sich die Häftlinge äußerlich nahezu nur noch durch verschiedenartige Winkel an ihrer Jacke. Die 28 Rosenheimer erhielten allerdings als politische Häftlinge alle den gleichen Winkel, den roten. Die notdürftige Unterbringung der Häftlinge fand in Baracken statt, in denen die hygienischen Verhältnisse katastrophal, zumal diese bald völlig überfüllt waren.
Man schlief in schlicht zusammengezimmerten Stockbetten auf Strohsäcken. Bereits um vier Uhr wurde geweckt. Die Betten mussten sorgfältig hergerichtet werden. Es gab für das, was den Häftlingen tagsüber bevorstand, ein völlig ungenügendes Frühstück, nämlich nur ½ Liter ungesüßten Kaffee-Ersatz. Dann raus auf den großen Platz zum Zählappell, der eine Stunde dauerte und bei dem man stramm in Reih und Glied stehen musste – auch im tiefsten Winter bei eisigen Temperaturen in dürftigster Kleidung.
Anschließend 12 – 15 Stunden schwerste körperliche unmenschliche Arbeit, oft im Straßenbau. Die Ernährung war derartig unzureichend, dass die Häftlinge ständig Hunger hatten und immer mehr an Gewicht verloren. Bald waren die Gefangenen völlig ausgemergelt. Trotzdem mussten z.B. sie z.B. im Laufschritt Ziegelsteine schleppen oder Straßenwalzen wie ein Pferdegespann ziehen. „Vernichtung durch Arbeit“, nannte das die SS. Über all diese Grausamkeiten berichtet Hans Beimler in seinem Buch, der zur gleichen Zeit wie die Rosenheimer Kommunisten in Dachau inhaftiert war. Versuchte jemand sich auszuruhen, wurde er entweder gleich totgeschlagen oder in eine Strafkompanie versetzt, was einem Todesurteil gleichkam.
Abends gab es dann wieder für die todmüden Häftlinge einen oft stundenlangen Zählappell. Ab 21 Uhr herrschte absolute Bettruhe. Niemand durfte mehr die Baracke verlassen. Es herrschte „Blocksperre“
Gesprochen werden muss auch noch von den grausamen Strafen, die oft völlig grundlos unter irgendeinem Vorwand verhängt wurden. Die häufigste Strafe waren 25 Peitschenhiebe auf das unbekleidete Gesäß. Man wurde dazu auf einem Prügelbock festgebunden, und die Schläge wurden mit solcher Kraft verabreicht, dass häufig schwere Verletzungen, z.B. der Nieren oder der Hoden, zurückblieben. Auch mit dem Gummiknüppel wurden die Häftlinge bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen. Außerdem gab es noch Arrestzellen, in denen es meist dunkel war und man keine Nahrung bekam. Oft musste man tagelang darin verbringen. Besonders gefürchtet waren die Bogerschaukel und das Pfahlhängen, die ich hier wegen ihrer Grausamkeit nicht genauer beschreiben möchte. Der Erfindungsgeist, Gefangene zu quälen kannte keine Grenzen und ein Menschenleben zählte nichts mehr. Es lässt sich leicht vorstellen, dass das Leben im Konzentrationslager von ununterbrochener Angst bestimmt war. Nicht wenige Häftlinge begingen Selbstmord und verwendeten den Strick, den die Wachleute der SS ihnen demonstrativ gaben. In Dachau wurde aber auch systematisch gemordet.
Su wurden sowjetische Kriegsgefangene und Angehörige der Roten Armee gleich ausgesondert und von der Lager-SS erschossen. Insgesamt – ich wiederhole die Zahl wurden im KZ Dachau 41.500 Menschen umgebracht.
- Zwei Biografien:
Der Rosenheimer Kommunist Josef Schober
Ich möchte jetzt abschließend die Biografie des Rosenheimer Kommunisten Josef Schober vortragen. Dieser wurde am 30.09.1902 als Sohn der „Flußbauarbeitersleute“ Johann und Katharina Schober in Kolbermoor geboren. Als er am 26.4.1933 in das KZ Dachau verbracht wird, steht auf der entsprechenden Liste hinter seinem Namen: „besonders aktives Mitglied der KPD, Verbreiter von Flugschriften und sonst. Werbematerial“. Josef Schober war verheiratet und lebte als Hausierer in Westerndorf St. Peter. (92)
Was ich über ihn vorzutragen habe, ist überaus bedrückend, denn ich kann nicht viel über seine politische Arbeit mitteilen, aber umso mehr über seine Verfolgung durch die Strafbehörden.
Der Beginn seiner politischen Arbeit ist zeitlich relativ genau fixiert. Denn am 28.03.1931 schreibt der Rosenheimer Kommunist Heinrich Klüber an den Genossen Peter Kopp, der zu dieser Zeit politischer Untersuchungsgefangener im Gefängnis München-Neudeck ist: „Schober Sepp ist jetzt bei uns.“
Schon bald darauf wird er wegen seines politischen Engagements das erste Mal aktenkundig, weil er beschuldigt wird, mit anderen zusammen in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai 1931 das Bezirksamtsgebäude, das Kriegerdenkmal und das Arbeitsamts-gebäude mit „roter Ölfarbe beschmiert“ (93) zu haben. Schober leugnet die Tat, sie kann ihm auch nicht nachgewiesen werden.
Ein Vierteljahr später, am 22.08.1931, ist er bei einem internen Treffen der Mitglieder des „Kampfbundes gegen den Faschismus“ dabei. Dort ging es unter anderem um die Verteilung von Propagandamaterial. Die Polizei hatte aber davon Wind bekommen. Hauptwachtmeister Johann Bumann stand im Hof der Gaststätte, die sich in der Kastenau befand, und lauschte am Fenster. Schließlich alarmierte er seine Behörde. Die Beamten kamen zwar zu spät, viele waren schon gegangen, aber nicht alle. Sie fanden viele Broschüren und andere Propagandamaterialien. Und aus den beschlagnahmten Unterlagen ging hervor, dass u.a. auch Josef Schober an dem Treffen teilgenommen hatte.(94)
Im März 1932 wird noch gegen ihn der Vorwurf erhoben, kommunistische Flugblätter vor dem Arbeitsamt verteilt zu haben und am 11. März habe er bei der Stadt Rosenheim um die Erlaubnis des Vertriebs der Nr. 2 der Zeitung „Die Fanfare“ nachgesucht, die daraufhin sofort beschlagnahmt wurde. Die „Fanfare“ war eine antifaschistische Wochenzeitung, die im Berliner „Prolet-Verlag“ erschien.
Ansonsten muss er bei all seinen politischen Aktivitäten sehr darauf geachtet haben, nicht in die Mühlen der Polizei zu geraten.
Denn diesbezüglich hat er schon früh seine Erfahrungen machen müssen. Mit 19 Jahren, im Oktober 1921, kam er erstmalig „wegen Entwendung“ mit dem Gesetz in Konflikt und erhielt drei Tage Haft. Es folgten „Diebstahl“, „Passvergehen“, „unerlaubter Getreidehandel“, „Betrug“, „Unterschlagung“, „nächtliche Ruhestörung“ usw., wofür er jeweils kleinere Strafen bekam. Was im Einzelnen passierte, welche Hintergründe, vielleicht politischen, gegeben waren, konnte meist nicht eruiert werden. „Nächtliche Ruhestörungen“ wurden allerdings oft angezeigt, wenn nach einer Veranstaltung auf der Straße politische Lieder gesungen wurden und „unberechtigtes Fischen“, ein weiterer Vorwurf gegen ihn, kam auch häufig vor und deutet natürlich auf die große Armut der Arbeiterklasse hin. So war auch der erwähnte „Betrug“ ein Fahrradkauf, bei dem dann die letzte Rate (33 RM) nicht mehr bezahlt werden konnte. Die drei Monate Gefängnis dafür war für ihn die höchste Strafe aller bisherigen Gesetzesübertretungen.(95) Ich denke, es ist sicherlich nicht übertrieben, zu der Einschätzung zu kommen, dass die allgemeine Verelendung in dieser Zeit, besonders für die Arbeiterklasse, einen recht schnell zum Gesetzesübertreter machen konnte. Das gilt auch für den Verdacht des Schweinediebstahls in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1932, also einen Tag vor Heiligabend. Josef Schober konnte zwar nichts nachgewiesen werden, aber lässt es sich nicht nachvollziehen, wenn jemand, der mit seiner Familie ständig Kohldampf schiebt, wenigstens Weihnachten einmal richtig zulangen möchte. In der Polizeiakte füllt dieser Vorgang viele, viele Seiten. (96)
Dann beginnt eine über achtjährige politische Treibjagd. Am 1. April 1933 wird Josef Schober verhaftet und in das Rosenheimer Gefängnis eingeliefert. (97) Dort sitzt er ein, bis er am 26.4.1933 „als besonders aktives Mitglied der KPD“ in das KZ Dachau gebracht wird. (98)
Sehr lange kann er dort nicht geblieben sein (keine drei Monate), denn am 18.07.1933 kommt er bereits zum zweiten Mal nach Dachau. Auf der Liste der Bayerischen Politischen Polizei, die die Einlieferung veranlasst hat, stehen u.a. auch seine Rosenheimer Genossen Johann Venus, Jakob Grandl, Hermann Liebig, Johann Zeitlhofer, Johann Vogl und Johann Dunker. (99) Josef Schober wurde im KZ Dachau zur Nummer 2990. Leider liegen im Archiv der Gedenkstätte des KZ Dachau wiederum keine Entlassungsdaten vor, sodass die Länge seiner Inhaftierung auch hier offen bleiben muss.
Aktenkundig wird er wieder am 20.1.1937 (100), als ihm ein Vergehen als Hausierer zum Vorwurf gemacht wird. Er habe keinen Wandergewerbeschein und erhält deshalb 20 Tage Haft. Schober flüchtet aber am 11.4.1937 nach Österreich und weiter in die Schweiz, wo er wegen Bettelns sechs Tage Gefängnis bekommt und nach Österreich abgeschoben wird. (101) Dies berichtet die Geheime Staatspolizei München. Am 20.10.1937 stellt Josef Schober sich der Rosenheimer Polizei, um seine Haftstrafe abzusitzen. Die Schutzmannschaft Rosenheim, Kriminalabteilung, schreibt am 29.10.1937 an den Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht Traunstein: „Er würde am 7. November 1937 um 8.45 Uhr aus Strafhaft entlassen, es wird aber gegen ihn bestimmt Schutzhaftbefehl erlassen, so daß er weiter in Schutzhaft verbleiben wird.“ (102)
Am 23. Februar 1938, nachdem im Gefängnis Bernau aus den 20 abzusitzenden Tagen vier Monate geworden waren, wird er zum dritten Mal in das KZ Dachau gebracht und erhält dort die Nummer 13543. (103) In den Akten befinden sich mehrere Briefe seiner Frau Margarete Schober, so einer vom 1.7.1938, in dem sie um Entlassung ihres Mannes bittet. Ihr wird meist mitgeteilt, dass ihrem Gesuch „aus sicherheitspolitischen Gründen noch nicht stattgegeben werden kann.“ (104) Am 01.02.1939 wird er nach München transportiert und drei Tage später wieder nach Dachau zurückgebracht. Wahrscheinlich wurde er dort verhört.
Zwei Wochen später, am 16.09.1939, brachte man ihn aus dem KZ Dachau „an eine unbekannte Stelle“, wahrscheinlich wieder in das Gefängnis Bernau.
Nach fünf Wochen, am 24.10.39, schreibt die Geheime Staatspolizei München an den Landrat des Kreises Rosenheim, Josef Schober sei „am 17.10.39 dem Ermittlungsrichter im Amtsgericht München überstellt, der am gleichen Tage gegen ihn Haftbefehl erlassen hat.“ (105) Mit Schreiben vom 04.03.1940 an das Arbeitsamt Rosenheim ist vonseiten der Rosenheimer Polizei zu erfahren, dass sich Josef Schober im Strafgefängnis München-Stadelheim in Untersuchungshaft befinde. (106) Gegen ihn wird der Verdacht der Vorbereitung zum Hochverrat erhoben. Am 31.10.1940 wird Josef Schober vom Oberlandesgericht München zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Am 09.11.1940 trat er seine Strafe in Bernau an, die eigentlich bis zum 30.04.1941 dauern sollte. Entlassen wurde er am 3.5.1941, und zwar in das Polizeigefängnis München (107), denn noch war sein Leidensweg nicht beendet. Aus Briefen seiner Frau geht hervor, dass sie gar nicht mehr wusste, wo ihr Mann überhaupt jeweils war.
Am 9. Juni 1941 lieferte die Gestapo München ihn in das Konzentrationslager Flossenbürg ein. Dort wurde er jetzt zur Nummer 215. (108) Er musste folgende Dinge abgeben: einen Hut, einen Mantel, einen Rock, eine Hose, zwei Pullover, ein Hemd, eine Unterhose, ein Paar Schuhe, zwei Paar Strümpfe, zwei Kragen, zwei Binder ein Paar Handschuhe, eine Zahnprothese(!), eine Brieftasche, diverse Papiere, eine Versichertenkarte, vier Messer, zwei Geldbörsen, ein Feuerzeug, einen Wehrpaß. Dem Geldverwalter übergab er 5,44 RM. (109 )
Nach knapp einem halben Jahr erhält seine Frau Post aus dem KZ Flossenbürg. Es ist keine Besuchererlaubnis, schon gar nicht eine Entlassungsankündigung, es ist die Todesnachricht. Josef Schober sei am 23. November 1941 um 10.15 Uhr im Häftlingskrankenhaus des KL Floßenbürg an einer Bauchfellentzündung verstorben. So bescheinigte es der SS-Standortarzt. Schober war 39 Jahre alt. „Bauchfell-entzündung“ war eine der typischen Angaben, wenn die SS einen Häftling ermordet hatte.(110)
Aus späteren Unterlagen ist zu erfahren, dass sich seine Asche seit dem 25.05.1947 in einer Aschepyramide und Aschegrube im „Tal des Todes“ der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg befindet.
Der Raublinger Kommunist Karl Obpacher
Jetzt richte ich den Blick auf Raubling. Denn von dort stammten gleich fünf der Kommunisten, die am 26.04.1933 in das KZ Dachau gebrachten wurden. Es sind dies Xaver Feilnreiter, Johann Haimerl, Josef Schiffl, Wendelin Schmerbeck und Karl Obpacher, der am meisten von sich reden machte.
Am 13. Mai 1933, also nach Verbot der KPD, berichtete der Gemeinde-Kommissär Josef Hofbauer dem Bezirksamt Rosenheim über die Situation der Raublinger KPD. Es ging dabei um nichts Geringeres als deren Enteignung. Und so wird sichtbar, wie vielseitig die Ortsgruppe der KPD und ihr Umfeld hier agiert hatten:
„Im hiesigen Bezirke bestand eine Ortsgruppe der KPD, weiter eine Ortsgruppe der Roten Hilfe Deutschlands und eine Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition. Sitz der Ortsgruppe der KPD war Raubling und Führer der in Schutzhaft befindliche Kommunist Karl Obpacher. (…) Als Führer der RGO war wieder der erstgenannte Kommunist Karl Obpacher tätig und wurde die Sache von ihm im geheimen betrieben. Außerdem bestand hier noch ein kommunistischer Erwerbslosen-ausschuß und fungierte als Vorsitzender der Kommunist Xaver Feilnreiter, der sich seit 09.03.1933 in Schutzhaft befindet. (…) Ferner bestand hier noch ein Verband politischer Freidenker, der von dem Kommunisten Johann Heimerl von Hochrunstfilze geführt wurde. Heimerl befindet sich seit 25.03.1933 ebenfalls in Schutzhaft.“ (75)
Jetzt zum immer wieder erwähnten Karl Obpacher. Er wurde am 15.02.1901 in Marwang, Gemeinde Oberhochstätt im damaligen Bezirk Traunstein geboren. Er war das uneheliche Kind der Köchin Justine Obpacher und besuchte sieben Jahre die Volksschule. Nach der Schule erlernte er das Bäckerhandwerk und legte 1917 die Gesellenprüfung ab. Die „Schubliste“ in das KZ Dachau gibt einen Hinweis, wie sehr er sich politisch betätigte. Über den 32-Jährigen heißt es dort: „Leiter der Ortsgruppe der KPD, Vorleiter vom RFB, Unterbezirksleiter, Vorsitzender der RH“. (76)
Obpachers politische Entwicklung begann schon sehr früh, was sicher auch damit zusammenhing, dass es für Raubling und Redenfelden bereits seit März 1919 eine Ortsgruppe der KPD gab. (77) Karl Obpacher, der zu dem Zeitpunkt allerdings erst 17 war, wird von Günter Baumgartner, der sich sehr ausführlich mit der Novemberrevolution in Bayern beschäftigte, in diesem Zusammenhang allerdings nicht erwähnt. Konrad Schinkinger, der Raublinger Heimatforscher, gibt aber einen ersten Hinweis auf dessen frühe Aktivitäten, nämlich dass am 03.10.1919 der „ledige Bäcker Karl Opacher aus Marwang wegen Bandenbildung zu 6 Monaten Haft verurteilt“ (78) worden sei. Und in der Tat wurde Obpacher bereits mit 17 Jahren im November 1918 „Mitglied des Soldatenrats im Republikanischen Schutzbund und nahm 1919 am bewaffneten Kampf gegen die „Schwarze Reichswehr“ (79) teil. So ist es der jüngst erschienen Raublinger Chronik zu entnehmen, deren Autorin sich auf einen von Karl Obpacher selbst kurz nach dem Krieg geschriebenen Lebenslauf bezieht, den dieser für die Militärbehörde verfasst hat. (80) Aus diesem geht auch hervor, dass er bereits 1920, also mit 19 Jahren, der KPD beitrat.
Die KPD war in der Revolutionszeit in Raubling in der Tat sehr rührig, wie auch bei Christa Landgrebe nachzulesen ist. Die Autorin informiert in diesem Zusammenhang darüber, dass „ein Großteil der Arbeiter der Redenfeldener Fabrik der KP angehört haben dürfte“ (81).
Karl Obpacher arbeitete in dieser Zellstoff- und Papierfabrik von 1921 bis 1933 und war dort auch bei der Freien Gewerkschaft organisiert und offenbar für die Interessen der Kolleg:innen sehr aktiv. Denn 1927 wurde er Betriebsratsvorsitzender und zugleich Hauptkassierer des Fabrikarbeiterverbandes.
Nach der niedergeschlagenen Revolution kam es am 29.11.1924 in Kirchdorf, der Heimatgemeinde von Karl Obpacher, zur Gemeinderatswahl, bei der erstmals die „Kommunistische Partei“ antrat, auf deren Liste er auf Platz 1 ebenfalls antrat und einen von 13 Sitzen erringen konnte. Seine Arbeit scheint erfolgreich gewesen zu sein, denn bei der nächsten Ortswahl in Kirchdorf im Dezember 1929 konnte die KPD deutlich zulegen und erreichte gleich drei Sitze. Karl Obpacher wurde erneut gewählt und außerdem zum 3. Bürgermeister ernannt. (82)
Wie rot die Region war, zeigte das Ergebnis der Reichstagswahlen vom 05.03.1933, bei der die NSDAP vergleichsweise schlecht abschnitt. Sie erhielt nur 26 % der Stimmen. Hingegen wählten überdurchschnittlich viele Menschen die KPD. In Kirchdorf waren es 19,28 %, in Pfraundorf 18,09 % und in Nicklheim sogar sagenhafte 43,66 %. Die NSDAP hingegen wählten in Nicklheim lächerliche 8,45 %, in Kirchdorf waren es auch nur 23,84 % gewesen und in Pfraundorf 27,69 %. (83)
Karl Obpacher ist indes nicht nur Im Bereich Raubling aktiv, sondern auch in Rosenheim. Am 22.08.1931 ist er bei einer Versammlung des „Kampfbundes der KPD“ dabei (84) und am 20.10.1931 erhält der Rosenheimer Stadtrat eine Mitteilung, dass er der Empfänger (sprich die Adresse) für die KPD in Bezug auf kommunistische Flugblattsendungen aus Norddeutschland ist. (85)
Zu der Zeit werden auch eifrig Flugblätter und Zeitschriften vor dem Fabriktor in Redenfelden verteilt, so etwa „Die Fanfare, Kampforgan gegen den Faschismus“ mit einem Artikel zur anstehenden Betriebswahl, in dem von Schikanen des Direktors Hoehl und großem Arbeitsdruck die Rede ist. Besonders die Maschinenführer, zu denen auch Karl Obpacher gehört, werden angegangen. (86)
Einen Monat später, am 25. November 1931 findet in Rosenheim im Hotel „Deutscher Kaiser“ eine Veranstaltung der NSDAP zum Thema „Von der geschichtlichen Wende des Deutschen Volkes“ mit 1000 – 1100 Teilnehmern statt. Der Kriminalkommissar Johann Putz berichtet dem Stadtkommissar und der Polizeidirektion München. Es seien zwar überwiegend Partei-Angehörigen anwesend gewesen, aber auch „etwa 50 bis 60 KPD Leute von Rosenheim und der näheren Umgebung“. (87) Auch Karl Obpacher ist unter ihnen, ergreift das Wort und fordert eine „freie Aussprache“. Darauf heißt es in dem Polizeibericht: „Er wurde aber sofort niedergeschrieen und sämtliche K.P. Leute zum Verlassen des Saales aufgefordert. Der Aufforderung kamen sie mit Widerwillen nach und entfernten sich, da sie sonst zwangsweise aus dem Saal gekommen wären. Hernach nahmen sie auf der Straße vor dem Saal eine etwas drohende Haltung ein, entfernten sich aber nach etwa einer ½ Stunde.“ (88)
Zwischen Juli 1930 und Juni 1931 stieg die Mitgliederzahl der Raublinger Ortsgruppe der KPD von 32 auf 75 Mitglieder. (89)
Aus den Rosenheimer Archivakten ist auch zu entnehmen, dass Karl Obpacher am 22.06.1932 in Rosenheim über „Die Lage der Erwerbslosen“ referieren sollte, die Veranstaltung aber verboten wurde. (90)
Kurz darauf, am 13.07.1932, fand in Rosenheim eine große Demonstration der Nationalsozialisten statt, die zahlreiche Kommunisten durch „Rot Front“-Rufe störten. Die Polizei suchte sich bekannte Kommunisten heraus wie Karl Obpacher und Xaver Feilnreiter aus Raubling und traktierte sie mit „Hieben mit dem Gummiknüppel“. Im Polizeibericht heißt es: „Obpacher blutete aus Nase und Mund.“ (91)
Dann rollt ab 10. März 1933 die erste große Verhaftungswelle. Obpacher wird bereits eine Woche vorher in Polizeigewahrsam genommen. Am 03. März kommt er in das Rosenheimer Gefängnis und dann am 26.04. mit dem Sammeltransport in das KZ Dachau, aus dem er erst nach 10 Monaten am 21.02.1934 entlassen wird. Da man im KZ aus der „Schubliste“ wusste, dass er ein wichtiger Funktionär der KPD gewesen war, wird man ihn sicher besonders schlecht behandelt haben.
Nach seiner Entlassung erhält er in der Papierfabrik Redenfelden keine Arbeit mehr. In seinem erwähnten Lebenslauf schreibt er: „(…) wegen meiner Popularität als aktiver Antifaschist abgelehnt“ (92) und verdingt sich daher als Maschinist bei verschiedenen Baufirmen. Dann wird er im Januar 1942 zur Wehrmacht eingezogen und zum Fronteinsatz im Osten verpflichtet. Im April 1943 wird er krankheitshalber entlassen und zur Firma Hamberger in Rosenheim am Ziegelberg als Maschinist dienstverpflichtet. Wegen, wie er in seinem Lebenslauf schreibt, „konsequent nazi-feindlicher Haltung“ wird Karl Obpacher am 26.08.1944 erneut verhaftet und einen Tag später zum zweiten Mal ins KZ Dachau eingeliefert. Diesmal dauert die Haftzeit gute zehn Wochen. Am 04.11.1944 ist er endlich wieder in Freiheit.
Aber im Februar 1945 wird er erneut zum Dienst in der Wehrmacht eingezogen. „Er desertiert Ende April von der Truppe und kehrt in seine `Heimatgemeinde Raubling´ zurück. Nach Kriegsende arbeitet er wieder bei der Firma Hamberger in Rosenheim.“ (93)
Als die Faschisten besiegt waren, gingen Karl Obpacher und Karl Köppl schon nach wenigen Tagen zum „Orts-Kommandanten der USA-Armee“ und überreichten ihm folgendes Schreiben, das überschrieben ist mit „Antifaschistische Ortsgruppe, Gemeinde Kirchdorf/Inn (Raubling)“:
„Die beiden Unterzeichnenden, ehemalige Gemeinderatsmitglieder und Schutzhäftlinge des Konzentrationslagers Dachau, erlauben sich, Sie als Befreier aus der faschistischen Sklaverei herzlichst zu begrüßen. Sollten Sie, Herr Kommandant, im Kampfe gegen die faschistischen Verbrecher ehrliche und treue Mitarbeiter heranziehen wollen, so stehen wir jederzeit zur Verfügung. In voller Dankbarkeit heissen wir Sie nochmals bestens willkommen und wünschen Ihnen und Ihrer Truppe weiterhin alles Gute.“ (94) Eine Antwort scheinen sie nicht erhalten zu haben.
Aber Obpacher lässt nicht locker. Am 20.06.1945 beantragt er zusammen mit Karl Köppl und Josef Aumüller beim Standortkommandanten der US-Armee die Absetzung des seit 1933 amtierenden Kirchdorfer Bürgermeisters Andreas Prechtl und des Verwaltungsinspektors Hans Klein. (95) Sie berufen sich auf eine Bekanntgabe des Bayerischen Ministerpräsidenten im Auftrag der alliierten Militärregierung, dass „alle Faschisten aus dem Staats und Gemeinde-Ämtern entfernt und durch Antifaschisten ersetzt werden sollen“. Dabei zeigen sie auf, dass Prechtl und Klein sehr eifrige Nazis waren. Prechtl „war ein hervorragend aktiver und fanatischer Anhänger Hitlers. Besonderen Wert legte er auf die Erziehung der Jugend in dem verbrecherischen Nazi-Geiste.“ ( ) Und über Verwaltungsinspektor Klein heißt es: „…übertraf ihn häufig sogar an rücksichtloser Durchführung der Diktaturbestimmungen.“ Sie schlagen als Neubesetzung für das Amt des Bürgermeisters Kaspar Falter und als Verwaltungsinspektor den bislang vor Ort unbekannten Oscar Neumann (96) vor, der wie Obpacher Kommunist war und den er vermutlich im KZ Dachau kennengelernt hatte.
Da sich nichts rührt, gehen Ende Juli mehrere Mitglieder des „Antifaschistischen Arbeitsausschusses“, unter denen sich auch Obpacher und Klöppl befinden, in Begleitung des Hauptwachtmeisters Jakob Frank und eines Delegierten der amerikanischen Militärregierung in das Raublinger Rathaus und setzen Bürgermeister Prechtl einfach ab. Kurz darauf verfügt die Militärregierung offiziell die Absetzung des Bürgermeisters. Eingesetzt wird von ihr der politisch unbelastete Gastwirt Johann Mayinger aus Redenfelden.
Bei der Kommunalwahl in Kirchdorf am 27.01.1946 fallen 154 Stimmen auf den Kandidaten der KPD Karl Obpacher, der auf Platz 1 einer neunköpfigen Liste kandidierte. Die CSU gewinnt zwar die Wahl mit sechs Sitzen und die SPD bekommt zwei, aber die KPD hat einen Achtungserfolg errungen.
Karl Obpacher ist zweifellos ein Kommunist gewesen, der ganz besonders treu und aus tiefer Überzeugung zu seiner Partei gestanden ist. In schwierigster Zeit hat er schon als junger Mann sich entschieden für die Rechte der Arbeiter und Arbeiterinnen eingesetzt, wurde durch Gefängnis und KZ-Aufenthalt nicht wankelmütig. Er kämpfte in der Gewerkschaft und als Betriebsratsvorsitzender, als Kommunist im Gemeinderat und auf zahlreichen politischen Veranstaltungen. Er wurde gedemütigt und geschlagen und gab trotzdem nicht auf, ja stand auch nach dem 2. Weltkrieg erneut konsequent zu seinen Überzeugungen: Für ein Leben in Freiheit und die Rechte seiner Klasse. Karl Obpacher kann auch heute noch als Vorbild dienen.
Abschließende Worte
Der heutige Abend hat dazu gedient, Menschen dem Vergessen zu entreißen und wachzuhalten, welches große Unrecht ihnen vor 90 Jahren geschah.
Diese 28 Kommunisten wurden in Rosenheim und Umgebung vor aller Augen aus ihren Familien gerissen, ohne dass sich aus der Bevölkerung Widerstand regte.
Die heutige Veranstaltung sollte auch dazu dienen, allen Anfängen einer Hinwendung zu einer faschistischen Diktatur rechtzeitig zu wehren.
Um die Namen aller 28 Kommunisten in Erinnerung zu behalten, will ich sie abschließend noch einmal nennen:
Otto Althammer, Johann Dunker, Xaver Feilnreiter, Johann Flunk, Jakob Grandl, Max Gipp, Max Grosse, Otto Grötzinger, Georg Gsinn, Johann Haimerl, Josef Hefter, Christian Kalkschmid, Xaver Klein, die drei Brüder Friedrich Kopp, Ludwig Kopp und Peter Kopp, Hermann Liebig, Karl Obpacher, Andreas Pletschacher, Otto Reiter, Johann Rosenquist, Josef Schiffl, Wendelin Schmerbeck, Josef Schober, Johann Steinberger, Johann Venus und die beiden Brüder Hans Zeitlhofer und Josef Zeitlhofer