Am 9. November 2022, gedenkt die „Initiative Erinnerungskultur –Stolpersteine für Rosenheim“ mit einem Putzen der zwölf Rosenheimer Stolpersteinen, dem 84. Jahrestag der „Reichspogromnacht“. Beginn ist um 17 Uhr vor der Münchener Str. 28 in Rosenheim. Stilles Gedenken gibt es auch an den beiden Orten des Novemberpogroms in Rosenheim, Gillitzerstr. 1 und Ludwigsplatz 14.
Viele der jüdischen Rosenheimer, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden, waren Inhaber von Bekleidungsgeschäften. Die „Initiative Erinnerungskultur –Stolpersteine für Rosenheim“möchten an ihr Schicksal und an das ihrer Familien erinnern. Beispielhaft hat die Initiative die Geschichten der Familien Obernbreit und Westheimer, deren Geschäfte in der Pogromnacht 1938 verwüstet wurden recherchiert.
Im folgenden dokumentieren wir die Ergebnisse der „Initiative Erinnerungskultur –Stolpersteine für Rosenheim“:
„Geschichten der Familien Obernbreit und Westheimer“
Familie Westheimer
Adolf Westheimer wurde 1883 in Großreicholzheim (Baden-Württemberg) als Sohn eines Viehhändlers geboren. Er war in Frankfurt als Kaufmann tätig. Dort heiratete er 1920 Erna Alice Simon, geboren 1898 in Offenbach. 1921 wurde ihr einziger Sohn Hans Ludwig in Frankfurt geboren.
1931 zog die Familie nach Rosenheim, wo Adolf Westheimer sein Konfektionsgeschäft am Ludwigsplatz 19 eröffnete. Hans Ludwig besuchte das Gymnasium. Nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 nahmen die Anfeindungen gegen Juden zu. Trotzdem konnte die Familie ihr Geschäft halten, bis es in der Nacht zum 10. November 1938 von den Nazis zerstört wurde. Mit Beilen wurden Regale, Öfen, Registrierkassen, Beleuchtungskörper und Schaufenster zerschlagen, die Waren herausgerissen und auf die Straße geworfen.
Bettfedern wurden aus der Umhüllung getrennt, Stoffe, Kurzwaren und Wäsche unbrauchbar gemacht. Passanten und Nachbarn nutzten die günstige Gelegenheit, sich noch unversehrte Waren anzueignen.
Westheimer meldete sein Geschäft am 30.11.1938 ab. Am 15. April 1939 gelang der Familiedie Flucht nach New York.Familie Obernbreit
Der Kaufmann Samuel Obernbreit, 1864 in Pressburg geboren, lebte mit seiner Frau Rosalie geb. Heilbronner, 1866 in Fellheim geboren, seit 1894 in Rosenheim. Er führte ein Konfektionsgeschäft am Max-Josefs-Platz und ein Filialgeschäft in der Gillitzerstraße. Ihre Kinder Adele und Leopold wurden 1895 bzw. 1899 in Rosenheim geboren.
Während Adele als Hausangestellte tätig war, wurde Leopold ebenfalls Kaufmann. Er ging1921 nach Berlin, wo er sich als Komponist als „Leopold Breiten“ einen Namen machte. Er überlebte die Shoah und starb 1978 in Berlin.
„Halb acht Uhr morgens lagen in der Gillitzerstr., nahe Bäckerei Buchecker, Nähfadenspulen, Zwirn, Stopfgarn
und anderes auf der Straße verstreut herum. Wir Buben dachten, dass da eingebrochen worden ist. Wir erfuhren
dann, dass das Geschäft von SA-Leuten geplündert worden ist. Weil das Geschäft einem Juden gehörte.“Nach den Verwüstungen durch die Rosenheimer SA in der „Reichskristallnacht“ gab Samuel Obernbreit noch am 10.11. 1938 sein Geschäft auf. Er starb am 27.11.1939 in Rosenheim.
Initiative Erinnerungskultur –Stolpersteine für Rosenheim: „Geschichten der Familien Obernbreit und Westheimer“, Beiblatt zur Pressemitteilung vom 04.11.2022
Seine Witwe und ihre Tochter lebten unter schlechten Bedingungen weiter in Rosenheim; nach Aussage eines Zeitzeugen mussten sie in der Papierfabrik Niedermayr Tüten kleben.
Am 28. April 1942 wurden sie von der Gestapo ins Barackenlager Milbertshofen (München, Knorrstr. 148) verschleppt. Von dort aus wurde Adele Obernbreit am 04.04.1942 nach Piaski deportiert und ermordet. Ihre Mutter wurde am 03.07.1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie nach wenigen Wochen am 24.08.1942 starb.
(Quellen: Stadtarchiv Rosenheim, Stadtarchiv München; private Chronik; Foto Familienbesitz)